Artikel: Loveparade 2006 - 1 Millionen Raver feierten (10.07.2006)
 

Loveparade 2006 - 1 Millionen Raver feierten
Körperkult vs. Peinlichkeit, Musikfreunde vs. Gammelchiller

Nach 3-jähriger Pause meldete sich die Loveparade 2006 mit ihrem Motto "The love is back" in Berlin wieder zurück. Andere Musikgenres fanden entgegen der Vorankündigungen des Veranstalters keinen Platz.
Dennoch feierten Musikfreunde, also Raver, Techno-, Schranz- & Dancefloor-Freaks all over the world ihr ganz persönliches Fest. Laut Polizei kam es kaum zu nennenswerten Ausschreitungen, insgesamt ein friedliches Fest.

Logisch, die Straße des 17 Juni *), rund um die Siegessäule (von den Berlinern auch "Goldelse" genannt) und im gesamten Tiergarten, waren fast alle Straßenschilder und Verkehrsampeln demoliert und das gesamte Areal quasi zugemüllt. Nach dem der Loveparade 2006 erstmalig der Status einer politischen Demonstration aberkannt wurde, müssen nun die Veranstalter für die Müllentsorgungskosten und Sachbeschädigungen aufkommen.
Die Mehrheit der Berliner Bürger wollte das Fest nicht mehr in ihrer Stadt haben. Eine 66-Jährige Berlinerin sagte uns: "Obwohl ja meine Gläser im Wohnzimmerschrank vom Bass wackeln, stört mich das Fest nicht allzu sehr. Der Müll wird ja wieder weggeräumt. Ich möchte nur nicht, dass Jugendliche Drogen nehmen!"
Wie viele Drogen tatsächlich gehandelt und konsumiert wurden, kann nur grob geschätzt werden. Ein Rückgang war aber in jedem Fall erkennbar, da immer mehr "Normalos" von Besuchern das Fest dominieren.
Fast hat man den Eindruck die Musik sei nur ein vorgeschobener Grund für die eigene zelebrierte Selbstdarstellung und viele kamen nur zum Gucken. Viele Berliner taten dies auch, egal welchen Alters!
Genügend Prachtkörper schoben sich durch die Straßen. Die Grenze zum Kitsch und zur Peinlichkeit war aber leider fließend und in allen Variationen vertreten.
Männer in kitschigen rosa Plüschoutfits und Damen mit neonfarbenen Feder-Shirt- und Miniröckchen Ausstattung - trotz Hängebusen und Wohlstandsbauch und Zellolite - das alles in vier Kleidergrößen zu klein. Aber egal! Erlaubt ist was gefällt.
Sehr viele nutzten jedoch ihre Zeit ausschließlich zum Genuß von Alkohol und Drogen und bevölkerten die Grünanlagen im Tiergarten zum "Chillen" wie das rumhängen auf neudeutsch bezeichnet wird.

Bild: Entwicklung Besucherzahlen bei der Loveparade in Berlin (1998-2006)
Wie viele Menschen zur Loveparade 2006 kamen ist unklar. Die Schätzungen seitens der Polizei und des Veranstalters gehen sehr weit auseinander.Die Polizei spricht von nur 500 Tausend. Es dürften aber etwa doppelt so viele als 2003, also etwa 1 Millionen gewesen sein.

Ein großer Minuspunkt war die Ausstattung mit WC-Anlagen. Dixie-WCs waren zwar vorhanden, pro Häuschen gab´s aber nur zwei Rollen WC-Papier und das war eindeutig zu wenig.
Ob es eine Loveparade 2007 geben wird, ist bis zur Stunde noch unklar, das wird sich der Berliner Senat noch sehr genau überlegen. Für mich war´s aber auf jeden Fall ein klasse Fest.

*) Straße des 17. Juni
Bis zur deutschen Wiedervereinigung feierte man in Westdeutschland den 17. Juni als "Tag der Deutschen Einheit". An diesem Tag hatten 1953 in der DDR sowjetische Panzer einen Aufstand von mehr als einer halben Million Menschen gegen das SED-Regime niedergeschlagen.
13.000 Menschen wurden im Auftrag der SED als "Rädelsführer" verhaftet. Die Zahl derTodesopfer wird auf etwa 125 geschätzt.

Bericht:© Michael Schiller, Juli 2006

 
 
 
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